Lieber ViN-Freund,
Sie haben sich für einen Hund aus dem Tierschutz entschieden, und wir haben Ihnen einen unserer Notfälle anvertraut, der nun bei Ihnen ein neues Zuhause gefunden hat.
Ihr neues Familienmitglied hat seine gewohnte Umgebung verloren, einen stressigen Transport hinter sich und ist wahrscheinlich sehr erschöpft und unsicher.
Jeder Hund ist anders, hat eine Vorgeschichte, über die oft wenig bekannt ist. Es kann daher vorkommen, dass sich ein Hund in den ersten Tagen in neuer Umgebung anders zeigt als beschrieben, oder sich später anders zeigt als in der Anfangszeit.
Um die Eingewöhnungsphase für Ihr neues vierbeiniges Familienmitglied so leicht wie möglich zu gestalten, haben sich ein paar Verhaltensmaßnahmen als sehr hilfreich erwiesen.
Eines vorweg: Den Hund bitte nicht bemitleiden. Er braucht nun kein Mitleid mehr, denn er hat es bei Ihnen besser als in der Vergangenheit.
Es ist vorteilhaft, in der Anfangsphase, vom ersten Tag an, einen kleinen, überschaubaren, verlässlichen Rahmen für den Hund abzustecken, mit nur wenigen Privilegien. Auch feste Rituale und ein geregelter Tagesablauf tragen sehr dazu bei, dass sich Ihr Hund schnell bei Ihnen einlebt und in Ihre Familie integriert.
Die folgenden Verhaltensregeln dienen dazu, dem Hund zu zeigen, dass Sie der Rudelführer sind:
Immer wenn es eine Trennung gab (zur Arbeit gehen, Müll wegbringen, Post holen usw.) ignorieren Sie den Hund, wenn Sie wieder zurück kommen. Sie warten, bis der Hund sich ablegt oder Ruhe gibt, erst dann rufen Sie ihn heran und begrüßen ihn.
Sie laden den Hund zum Spielen ein. Alles an Spielzeug gehört dem Rudelführer, denn Spielzeug ist Beute. Spielzeug bis auf ein Teil immer weglegen und nur hervor holen, wenn Sie mit dem Hund spielen wollen. Sie beginnen das Spiel, Sie beenden es auch. So ist dies auch bei Streicheleinheiten, der Vizsla neigt dazu, vereinnahmend zu sein, daher ignorieren Sie vehementes Einfordern von Streicheleinheiten.
Der Rudelführer verlässt grundsätzlich zuerst das Haus (Gassigang ist für den Hund ein Jagdausflug) - Sie führen das Rudel an. Sie gehen also als erster durch die Tür, der Hund folgt Ihnen.
Auf das Sofa oder in das Bett sollte der Hund nur auf ausdrückliche Einladung von Ihnen dürfen.
Das heißt, Sie befinden sich schon dort und rufen den Hund dann herbei. Sie laden ihn ein, den besten Liegeplatz mit Ihnen zu teilen. Eine extra ausgebreitete Decke signalisiert dem Hund, jetzt darf ich. Es sollte für den Hund nicht selbstverständlich sein, die höchsten und besten Liegeplätze für sich zu beanspruchen wann immer er möchte.
Verhält sich der Hund über einen längeren Zeitraum vorbildlich und zeigt keinerlei Anzeichen, "das Zepter" übernehmen zu wollen, dann kann man Vergünstigungen zulassen wie bereits oben erwähnt z.B. auf das Sofa oder evtl. ins Bett zu dürfen, Freilauf (aus Sicherheitsgründen sollte hier mehrere Wochen ein Schleppleinentraining selbstverständlich sein).
Spielzeug oder andere Dinge, die sich zur Ressourcenverteidigung eignen (z.B. Futter), sollten nicht ständig frei verfügbar sein. Die Ausnahme bildet hier frisches Trinkwasser, das immer zugänglich sein sollte.
Ein ehrliches Lob bei Wohlverhalten sowie liebevolle, geduldige Konsequenz und Korrektur bei Fehlverhalten helfen Ihrem Hund sehr, sich in seiner neuen Umgebung schnell zurecht zu finden und Vertrauen aufzubauen. Eine grobe Behandlung hingegen verträgt der sensible Vizsla nicht, führt nicht zum Ziel und ist daher zu unterlassen.
Es ist immer leichter, einen eng gesteckten Rahmen in kleinen Schritten zu erweitern, als ihn wieder eingrenzen zu müssen, falls der Hund im Laufe der Eingewöhnungsphase schleichend Anzeichen von Dominanzverhalten zeigt.
Falls Sie weitere Fragen haben sollten, steht Ihnen Ihr Ansprechpartner, der die Vermittlung betreut hat, gern zur Seite.
Und nun wünschen wir Ihnen ein erfolgreiches Zusammenwachsen mit Ihrem neuen Familienmitglied und viele gemeinsame glückliche Jahre.
Buchempfehlung:
Katharina von der Leyen und Inga Böhm-Reithmeyer, Kosmos-Verlag, 26,-€, 232 Seiten
Kleine Rezension von Annette Lehmann:
"Jetzt habe ich es durchgelesen und möchte euch ein paar Zeilen dazu schreiben.
Vorweg: Ich denke, dass es wirklich eine gute Empfehlung ist für Menschen, die einen Hund aus dem Tierschutz aufnehmen wollen.
Für die, die sich bereits viel mit Tierschutzhunden und den sich darum rankenden Problemen beschäftigt haben, bringt es zwar nichts absolut Neues, aber es ist eine gute Zusammenfassung, die absolut gut lesbar ist, kurzweilig und humorvoll geschrieben.
Vom Kapitel "...vor der Anschaffung des Hundes", über Listen, was es braucht, um den Hund willkommen zu heißen und - ganz wichtig - vielen Gedanken über den Stress, dem der Hund ausgesetzt ist und wie man damit umgeht bis hin zu allen möglichen Problemen und Lösungsansätzen; Sozialisierung (mit etlichen Tipps für erste Übungen, auch mit Angsthunden), Gesundheit, Ernährung, typische Krankheiten ist im Grundsatz alles da, was man als Basiswissen haben sollte.
Sogar an ein Kapitel über das Thema "Pflegestelle - was es bedeutet, einen Pflegehund zu übernehmen" wurde gedacht.
Mein Eindruck: wer das Buch aufmerksam liest, wird sehr genau überlegen, was für einen Hund er/sie sich ins Haus holt. Dennoch bekommt man Lust, sich mit all dem, was mit so einem "Second-Hand-Tier" zusammenhängt, intensiv auseinanderzusetzen, weil eben auch betont wird, wie bereichernd das Leben mit dem Hund an der Seite ist/sein kann.
Ich habe das Buch gleich meinen Freunden in die Hand gedrückt, die zur Zeit überlegen, ein Tier aus dem Tierschutz zu adoptieren und wir haben uns unter großem Gekicher daraus vorgelesen. Vor allem das Kapitel "Der Straßenhund" mit Blick auf den schnarchenden Hansi hat für große Heiterkeit gesorgt."